Samstag, 24. April 2021

Europacupfinale 1996

Zu meiner großen Freude durfte ich einen kleinen Beitrag zum neuen Buch von Michael Hatz beisteuern - dieser Erstling des Ur-Grün-Weißen hat die geniale Rapid-Saison 1995/96 zum Thema und der Neo-Autor  bat u.a. mich schon lang vor Ausbruch der Pandemie um meine Erinnerungen an das leider verlorene Finale vs Paris St. Germain.Wie immer bin ich viel zu lange geworden, daher musste der Verlag erwartungsgemäß kürzen und brachte schließlich nur ein Zitat (wenn auch ein gutes), aber hier gibt es die Long Version:

Auf der Homepage von Michi Hatz ist dieser Beitrag ebenso zu finden wie zahlreiche weitere von diversen Persönlichkeiten (nicht nur Rapid-Fans, aber die sind natürlich in der absoluten Mehrheit) rund um dieses magische Saison 1995/96 - hier




Trotz Niederlage ein Highlight in meinem Rapid-Dasein, welches für mich als zugereisten „Mostschädl“ erst ab Oktober 1992 mit regelmäßigen Besuchen von Heimspielen im Westen Wiens versüßt wurde. Zäh waren die ersten beiden Saisonen, damals verirrten sich oft nur zwei- bis dreitausend Getreue ins spätere „St. Hanappi“. Schon 1994/95 lieferte einen süßen Vorgeschmack, doch die Spielzeit 1995/96 wird für immer als unvergessen in meiner Erinnerung bleiben. Jedes einzelne Europacup-Heimspiel brachte ein Fußballfest erster Güte und auch auswärts war ich im Frühjahr der Erfüllung der „Mission 30“ erstmals international voll dabei. Zum 23. Geburtstag beschenkte mich mein Herr Papa mit einer Fanreise nach Rotterdam, mit dem Stammtisch Grün-Weiß ging es – unterbrochen nur von gefühlt 100 Pinkelpausen pro Strecke – zu einem heroischen 1:1 ins De Kuip – auf Deutsch „die Wanne“ – wie das Stadion von Feyenoord genannt wird. Auf den selbst kreierten Chant „Die Buam vom Arie Haan san so im Orsch daham“ war ich kindlich stolz und muss noch heute lächeln, wenn ich an die unglaublichen knapp 48 Stunden rund um diese Partie denke. Das größte Wunder war nicht das Ergebnis, das vor allem Panther Michi Konsel und Sturmtank Carsten Jancker ermöglichten, sondern die Tatsache, dass meine damalige Begleitung noch immer mit mir zusammen und nunmehr sogar meine Angetraute ist. Sie bekam nämlich das zweite Ticket und nahm so im Fanbus des Stammtisch Grün-Weiß als eine von zwei Frauen nebst rund 50 außergewöhnlich durstigen und feierfreudigen Mannsbildern Platz. Dank der solidarischen Mitvernichtung diverser Mixgetränke ertrug es die Holde, stimmte aber einer Wiederholung der Reise zum Endspiel wenige Wochen später nach Brüssel nicht zu. Und das, obwohl wir bei der Rückkehr aus Rotterdam den grün-weißen Helden beim Training in Hütteldorf einen frenetischen Empfang zu bescheren versuchten! Das seinerzeit entstandene Foto (siehe unten) mit dem viel zu früh verstorbenen Trifon Ivanov, der neben meinem oberösterreichischen Landsmann Christian „Büffel“ Stumpf einer der ganz großen Helden dieser an Heroes vollen Truppe war, halte ich noch als alter Mann in den Corona-Jahren 2020/21 in Ehren! 

Trotz dem ausschweifenden Studentenleben geschuldeten schmalen Geldbeutel war die Reise nach Brüssel mit eben diesem Stammtisch Grün-Weiß-Bus Ehrensache und Pflicht für mich. Irgendwo im Innviertel stiegen noch zwei Kumpels von mir aus der alten Heimat zu, beide beladen mit einigen Kisten „Landessäure“, wie man den Most in diesen Breitengraden nennt und einem 13 (!) Meter langen grün-weiß gestreiften Stoff-Fetzen, den wir selbstbewusst und in gutem Glauben als längstes selbstgemachtes Überroll-Transparent der Fußballgeschichte abfeierten. Einen zweiten grandiosen Einsatz erlebte dieses Teil übrigens bei der Anreise zum Meisterstück am 1. Juni 1996 vom Schweizerhaus ins Happel-Stadion mit der Liliput-Bahn, die uns auch in einen TV-Bericht des Österreichischen Rundfunks brachte. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Fahrt nach Brüssel war nicht nur lustig, sondern auch außergewöhnlich. Ab der belgischen Grenze rollte ein Konvoi mit vielen – positiv – wahnsinnigen Rapidlern auf der gesperrten Autobahn der europäischen Hauptstadt entgegen. Natürlich steckte ständig einer von uns seinen Kopf oder mehr aus den Dachluken, als würde Paris St. Germain alleine durch diese Stärkebekundungen vor Ehrfurcht schon vor dem Aufwärmen erstarren. Leider eine Fehleinschätzung. In Brüssel angekommen sahen wir uns vielen Pferden entgegen, erst am zweiten Blick erkannten wir, dass hier nicht Freunde von Hugo Simon auf uns warteten, sondern Polizisten. In Österreich ist man ein Vierteljahrhundert später an einer solchen Idee kläglich gescheitert, bei uns sind Pferde halt besser als Leberkäse oder willfährige Zugtiere für Fiaker geeignet. Das Sightseeing fiel knapp aus, nach geschätzt zehn Minuten und dem Besuch einer Trafik, bei der ich dem seligen Ernst Happel zu Ehren zwei Schachteln seiner Stamm-Tschick „Belga“ erwarb, nach deren Konsum ich mehr als verwundert war, dass die Lunge des „Wödmastas“ nicht schon in den 1970er-Jahren den Geist aufgegeben hat, ging es zur ausführlichen Bierverkostung. 

Und flugs danach ins einstige Heysel-Stadion, wo erstmals nach der Tragödie bei Juventus vs Liverpool von 1985 ein europäisches Endspiel steigen sollte. Es war ein hässlicher Austragungsort, aber das war uns egal, denn weit mehr als 10.000 von uns sorgten für Gänsehautstimmung. Und das über weit mehr als 90 Minuten. Wie fast alle trug auch ich stolz das verteilte Plastik-Leiberl im  Design der wunderschönen Zebra-Trikots von Diadora und bis zum Abpfiff hofften wir auf und glaubten an den Ausgleich. Verflucht seien dieser Bruno N´Gotty und das Knie von Peter Schöttel, es wäre doch so viel mehr möglich gewesen an diesem Mai-Tag in der Hauptstadt der Europäischen Union. Doch wir reisten als moralischer Sieger von diesem Finale ab! Was bis zum Ende der Siegerehrung im Stade Roi-Baudouin abging, zieht mir fast ein Vierteljahrhundert später noch die Gänsehaut auf. „Hier regiert der SCR“ und das prägnante rhythmische Klatschen mit dem kurzen Ausruf „R A P I D“ ließ – zumindest für uns im grün-weißen Sektor – die eigentlichen Gewinner des Spiels, die Mannschaft von PSG, zu reinen Statisten erstarren. Sprich, mehr als hoch erhobenen Hauptes machten wir uns auf die abermals rund 18stündige Heimreise und schon vor der ersten Pinkelpause, also nach zirka zehn Minuten, erschallten laut und unbeugsam die „Wir werden Meister“-Sprechchöre in unserem ziemlich verrückten Bus! Und diese Prognose bewahrheitete sich bekanntlich und bescherte auch mir – damals nur halb assimilierten – Hauptstädter meinen ersten Rapid-Meistertitel als Wiener! „Won´t forget these days“ hat die feine deutsche Band „Fury in the Slaughterhouse“ Anfang der 1990er-Jahre gesungen, dieser Songtitel passt perfekt für die magische und überragende Saison 1995/96 meines Sportklub Rapid!




Erhältlich ist das Buch u.a. in den Rapid-Fanshops (ab Ende von Lockdown IV) und online u.a. hier:
rapidshop.at
morawa.at 

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