Sonntag, 12. Oktober 2014

St. Hanappi & Ich

Am 6. Juli 2014 fand das letzte Profispiel (Rapid vs Celtic 1:1) im Gerhard-Hanappi-Stadion statt, am 27. September 2014 das letzte Bewerbsspiel (Derby der U15-Akademiespiele mit 1:0-Sieg für Rapid), bereits am 4. Mai 2014 das letzte Bundesligaspiel (Rapid vs Wacker Innsbruck 2:0) und schon viel früher, nämlich am 22. August 2013 das letzte Europacupspiel (Rapid vs Dila Gori 1:0). Das letzte ÖFB-Cupspiel in der legendäre Spielstätte verdient eigentlich keine Erwähnung - es ging schon am 16. April 2013 über die Bühne, endete mit einer Jahrhundertblamage gegen den Regional-Liga-Klub Pasching (ein schmeichelhaftes 0:1 aus Rapid-Sicht) und kostete Rekordspieler Peter Schöttel endgültig seinen Job als Cheftrainer des Rekordmeister....

 Am 4. Oktober folgte schließlich noch die große Abrissparty, ein unvergesslicher Tag in ganz spezieller Atmosphäre - und ich konnte bei all diesen historischen Spielen/Veranstaltungen dabei sein. Klar, in beruflicher Funktion, aber mit dem einstigen West-Stadion verbindet mich schließlich sowohl aus Sicht meiner Profession, aber auch privat eine ganze Menge! Auch wenn es nun Zeit wird, dass etwas Neues geschaffen wird, bleibt dankbare Wehmut, bei unzähligen wunderschönen Stunden dabei gewesen sein zu dürfen, auch einige waren allerdings darunter, die ich lieber nicht erlebt hätte - doch der Reihe nach.......

Letztes Profispiel im Hanappi-Stadion - Rapid vs Celtic am 6.7.2014

Erste Eindrücke via TV

Für einen Oberösterreicher war das Hanappi-Stadion schon sehr, sehr weit weg. Die Grün-Weißen, klar, die habe ich ab dem Alter von rund 10, 11 Jahren verfolgt und seit ihrem Gastspiel in meiner Heimatstadt Wels auch in mein Herz geschlossen gehabt. Das war überhaupt das erste Rapid-Spiel meines Lebens, das ich live sah nach meiner Erinnerung - ein 2:2 im Sommer 1983 und nach einer 2:0-Führung der Gastgeber (Union Raika Wels, wie wir sie alle nannten) schafften die Grün-Weißen in der - no na - Rapidviertelstunde noch den Ausgleich (Kienast, Panenka!); in Unterzahl, denn Keglevits sah nach rund einer Stunde die Rote Karte. Schon ein Jahr vorher gab es diese Begegnung (damals 3:0-Sieg für Rapid), wahrscheinlich war ich auch dort, doch in meiner "Festplatte" hat sich eben jenes 2:2 eingebrannt. Von da an war Grün-Weiß meine Modefarbe und ich erinnere mich noch gut an die TV-Übertragungen aus dem Gerhard-Hanappi-Stadion, damals allerdings nur Europacupspiele, ganz besonders das Wunder gegen Dynamo Dresden anno 1985! Bis zum Beginn des Studiums und dem damit verbundenen (und heiß ersehnten) Umzug in die Hauptstadt war österreichischer Klubfußball allerdings nicht der Mittelpunkt meines Lebens.....

10/1992 - 1996 Trister Beginn - unglaubliche Höhepunkte

Nach Bezug meiner WG im zwölften Bezirk im Oktober 1992 änderte sich dies rasch und wurde ich Stammgast im Hanappi-Stadion, zuerst natürlich auf der West, was allerdings hauptsächlich darin begründet lag, dass die Karten dort am günstigsten waren, kein unwichtiges Argument für einen Jung-Studenten, der natürlich auch alle anderen Freiheiten und Verlockungen der Großstadt genießen wollte. Die überhaupt erste Live-Partie war (das genaue Datum verrät mit das grandiose Rapid-Archiv unter www.rapidarchiv.at) am 17. Oktober 1992, ein 1:0-Sieg über Sturm Graz, Jan Age Fjörtoft sorgte für das Goldtor. Das weiß ich noch und auch, dass ich eher enttäuscht war, wie wenig Leute zu diesem Match kamen. Ich dachte schließlich, Rapid ist Religion und als Neo-Wiener (das nahm ich von Anfang an sehr ernst ;-) ) ging ich fix davon aus, dass das Hanappi-Stadion bei Heimspielen ähnlich voll sein muss, wie es in Relation die engen Sportplätze in Wels und Steyr, wo ich meist die Schlagerspiele besuchte, waren. Dass es wirklich nur 2.500 Getreue waren, hätte ich nun im Rückspiegel der Erinnerung aber auch nicht gedacht. Egal, auf alle Fälle ging ich von nun an so oft wie nur möglich auf die West, ab Mitte der 1990er-Jahre begann ich dann sogar, die Eintrittskarten (inspiriert von der Lektüre von "Fever Pitch") zu sammeln und in ein Büchlein einzukleben, dazu versehen Ergebnis, Torschützen und Zuschauerzahl. Erfreulicherweise lagen damals noch einige ältere Tickets in meinem Zimmer der Meidlinger WG herum, somit beginnt - wenn auch unvollständig - dieses Eintrittskarten-Buch mit einer "West-Karte" vom 9. Juni 1993, als sich Rapid mit einem 1:1 vom Wiener Sportclub (auf dem Ticket auch so geschrieben) trennte - Zuschauerzahl übrigens abermals nur 2.500..............

Die erste Seite meines "Ticket"-Büchleins

Ab der Saison 1994/95 aber wich diese Tristigkeit - Ernst Dokupil übernahm die Truppe und diese bot schönen, herzerfrischenden Fußball, was zumindest teilweise auch mit höheren Zuschauerzahlen belohnt wurde. Einige Partien fanden trotzdem noch vor nur rund 3.000 Besuchern statt, doch zeitweise kamen an (9.000 gegen den LASK) bzw. über 10.000 Zuschauer (zb Heim-Derby im Oktober 1994 mit 14.500) ins einstige Weststadion. Erstmals ausverkauft erlebte ich es im März 1995, als "Casino" Salzburg gastierte, die damals nach Meistertitel, Europacupfinale und Champions-League-Heimspielen in Wien am absoluten Höhepunkt ihrer Popularität waren. Auch ich habe Spiele der Salzburger im Prater gesehen, übrigens auch einmal ein Europacup-Match im Hanappi-Stadion ohne Rapid-Beteiligung, nämlich Austria vs Brügge, aber kann mich weder an Resultat noch genauen Zeitpunkt erinnern, diese Eintrittskarte schaffte es nicht ins Büchlein....

Legendäres Cup-Spiel anno 1995

Ein Spiel gegen eben jene Salzburger war auch eines meiner All-Time-Highlights in Hütteldorf. Cup-Semifinale im Mai 1995 und zu meiner Überraschung gab es rund eine Stunde vor Ankick gerade noch Karten für die Südtribüne (eventuell auch Ost, aber da wollte ich sicher nicht hin...). Dort sah ich dann schließlich einen 2:0-Triumph mit Traumtoren von Marcus Pürk, wenig später dann den 14. Cupsieg für Rapid (im Prater) und dass dieser für zumindest 20 Jahre der letzte bleiben sollte, hielt ich damals für denkunmöglich..... Noch dazu wo in der darauffolgenden Saison wahre Fußball-Feste von Rapid geboten wurden! Die internationalen Highlights zwar alle im Prater, aber der Weg zum 30. Meistertitel wurde doch im "Hanappeum" bereitet. Am 5. August 1995 war ich auch erstmals mit meiner damals noch sehr frischen Liebe (die auch heute noch immer sehr groß ist!) im Hanappi-Stadion, einen Tag vor meinem Aufbruch zu einer rund siebenwöchigen Rucksack-Reise nach Griechenland sahen wir bei extremer Hitze einen 1:0-Derby-Sieg, für den ich "Büffel" Stumpf natürlich noch immer sehr dankbar bin - es fuhr sich damit noch leichter auf die große Reise...

03/1996 - 06/2000 Von der West auf die Nord

Ab der Rückkehr Ende September 1995 ging es wieder regelmäßig auf die West, Ende Februar 1996 sollte sich dann mein Entschluss manifestieren, zukünftig auf die Nord zu wechseln. Von einem 1:0 (Tor Jancker!) gegen den GAK sah ich nur recht wenig, da erstmals ein weißes Fangnetz gespannt war. Daher ab auf die Nord und dort blieb ich dann auch - mit wenigen Ausnahmen - relativ lange. Auch als ich bereits nebenberuflich für die Grün-Weißen tätig war. Das war immerhin bis zum Ende der Saison 1999/2000 (fast vier Jahre lang!), ehe es mit einer seriösen Anstellung klappte und der Schreiber dieser Zeilen mit Beginn der Spielzeit 2000/01 offiziell zum Pressesprecher des SK Rapid avancierte......

Ein gutes Ergebnis, eines von unzähligen Spielen, die ich von der Nord verfolgt habe, meist von ganz oben stehend!

07/2000 - 06/2006 Vom Spielfeldrand und auf der Pressetribüne

Auf einmal war alles anders! Keine Bierchen mehr mit Freunden oder auch völlig unbekannten grün-weißen "Gesinnungsgenossen", sondern plötzlich waren Rapid-Spiele, bislang eine der schönsten Freizeitbeschäftigungen, auch Arbeit. Der erste richtige Medientrubel folgte eigentlich "erst" mit der Verpflichtung von Weltmeister Lothar Matthäus als Trainer. Gut, kurz davor war schon mal ein bißchen mehr los, als es beim Stande von 0:4 gegen den GAK zu einem Platzsturm kam. Dieser war allerdings absolut friedlich (was nichts daran ändert, dass aus meiner Sicht das Spielfeld immer nur Platz für Spieler und Schiedsrichter haben darf), das Spiel konnte fortgesetzt werden und daher hatte er kaum Folgen, nicht im Ansatz vergleichbar mit jenen Ereignissen, die dem Platzsturm vom 22. Mai 2011 folgen sollten......... . Auf alle Fälle war es nun anders, wenn auch nicht schlecht. Kultige Erlebnisse bei Pressekonferenzen (Heimdebüt von Matthäus mit Hans Krankl als Trainer des Gastvereins Admira und dessen Feststellung - zugeraunt in mein Ohr - dass die PK ruhig beendet werden könnte von mir, weil sie eh kaum jemand interessiert, während eine bislang im Hanappi-Stadion nicht gekannte Anzahl nationaler und internationaler TV-Teams die Aula in helles Licht tauchten nur als ein Beispiel) folgten tolle Siege (5:1 vs Partizan, später die unvergessliche Saison 2004/05 unter dem großartigen Josef Hickersberger) und bittere Niederlagen.

Zwei, die sich (zumindest damals) nicht "grün" waren, dazwischen ich! Debüt von Lothar Matthäus als Rapid-Coach, Goleador Hans Krankl als Admira-Trainer siegreich! 


Und ein unvergessener 30. Geburtstag! Am 26. April 2003 kamen gerade mal 4.000 Getreue zum Duell gegen Schwarz-Weiß Bregenz ins St. Hanappi (diesen Begriff hat "Hicke" erst etwas später so richtig salonfähig gemacht), jene auf der West hatten "die Schnauze voll" und wollten nicht nach Hause gehen, was den Beginn der, von einem leider im Sommer 2011 viel zu früh verstorbenen Freund, organisierten Überraschungsparty im "alten Rapid-Dorf" mächtig verzögerte. Ein rauschendes Fest wurde es trotzdem, mit Geburtstagsständchen von der Bühne sowohl von Andy Marek als auch meinem - hoffentlich zurecht - stolzen Herrn Papa, sowie einem noch heute in Ehren gehaltenen Geschenk der "Alt-Internationalen", das mir Fredi Körner überreichte! Das hat mich ähnlich geehrt wie die Tatsache, dass mich Präsident Rudi Edlinger im Sommer 2006 offiziell am Rasen des Hanappi-Stadions zum ÖFB verabschiedete und mir dankte!

Sommer 2005....

Verabschiedung im Sommer 2006


07/2006 - 2011 - Oft zu Besuch als ÖFB-Pressechef

Und wieder wurde also alles anders. Der Meistertitel im Sommer 2005 und die in Moskau fixierte Qualifikation für die Champions-League wäre schon wieder Vergangenheit und ich bekam (übrigens nicht zum ersten Mal) die Chance, zum ÖFB zu wechseln. Als Pressechef, zuständig u.a. für das Nationalteam und dieses ohnehin schon überaus ehrende Offert versüßt mit der Tatsache, dass doch 2008 eine Europameisterschaft im eigenen Lande auf dem Programm steht - die wohl erste und letzte! Alles andere als ein Hemmschuh auch die Tatsache, dass mit Josef Hickersberger ein mir nicht ganz unbekannter Trainer bereits das Amt des Teamchefs inne hatte. An meiner Leidenschaft für Besuche von Rapid-Spielen im Hanappi-Stadion änderte dies wenig, wann immer es ging, kam ich auf "Besuch", selten auf die Pressetribüne, fast immer auf die Nord, wo ich dankenswerter Weise immer als Gast auch im damals neu geschaffenen VIP-Bereich Zutritt gewährt bekam. Gerade Anfangs war aber auch ein Vor- und Nachbesuch im Rapid-Dorf Pflicht. Den Meistertitel 2008 genoss ich trotz des bereits außerordentlichen Stress rund um die Vorbereitungen auf die EURO mit einer fetten Zigarre auf der Nord beim 3:0 gegen Altach, es war ein - zumindest von mir frech so empfundenes - wunderbares vorgezogenes Geschenk zum 35. Geburtstag.

Der Meistertitel im April 2008 ist endgültig fixiert!


In weiterer Folge kam ich zwar nicht mehr zu jedem, aber fast jedem Heimspiel. Das leider berühmte gewordene Derby am 22. Mai 2011 ließ ich beispielsweise aus - mein Bauchgefühl sagte mir, dass an dem Tag etwas passieren könnte, was ich einfach nicht im Stadion sehen will - leider habe ich mich nicht getäuscht...

02/2012 - 10/2014 - Neubeginn und Abschied

Nach diesem Tag war es mit einem komischen Gefühl behaftet zu Rapid-Spielen zu gehen, was ich aber trotzdem tat. Wiewohl keine große Freude aufkam. Trotzdem oder gerade deswegen (ich weiß es wirklich nicht) nahm ich das Angebot von Werner Kuhn an, mit 1. Februar 2012 wieder zu dem Klub zurückzukehren, dem ich beruflich alles verdanke und der mir einfach enorm viel bedeutet. Daher wieder Rapid-Spiele von der Pressetribüne aus bzw. vom Spielfeldrand. Es gab gottlob auch ein paar Highlights (3:0 gegen PAOK, Siege gegen Salzburg und etwas später auch wieder "Dreier" im Derby), aber sie überwogen ehrlich gesagt nicht. Die Arbeitsbedingungen im "St. Hanappi" - ein Wahnsinn! Das fällt einem wohl noch viel mehr auf, wenn man dazwischen einige Jahre "normale" bis hin zu wirklich "moderne" Stadien in beruflicher Funktion besucht hat. Einfach nicht mehr Rapid-Würdig und zwar nicht einmal im Ansatz und daher überwiegt bei mir absolut die Vorfreude auf das neue Allianz Stadion, auch wenn immer ein klein wenig Wehmut bleiben wird, wenn ich an St. Hanappi zurück denke! Und das wird oft sein, denn es ist ein großer Teil meines Lebens! Und besonders schön war dort mein bislang letzter - der 41.- Geburtstag, denn exakt da gab es einen wunderschönen Heimsieg gegen Red Bull Salzburg, zum "Runden", ein Jahr davor, glückte dies leider nicht, aber vielleicht auch deswegen, weil das Spiel erst einen Tag darauf stattfand - die Geschenkübergabe am Rasen hat mich aber nicht minder gefreut.

Runder Geburtstag, leider folgte eine Niederlage vs Salzburg, ein Jahr später (2014) war alles besser  ;-)

Und last but not least durfte ich anno 2012 mal für ein paar Minuten das Stadionmikrofon von Andy Marek übernehmen, um die Moderation für die Glückwünsche zu seinem 50. Geburtstag zu übernehmen und erst kürzlich, am 1. Oktober 2014, auch noch einmal in Fußballschuhen auf den schon etwas ramponierten Rasen, um ein paar Minuten bei einem internen Abschiedskickerl mit zu spielen. Diese kurze Zeit hat übrigens gereicht, zu erkennen, dass es sinnvoll ist, mit diesen Fußballschuhen sinngemäß das gleiche zu machen, das derzeit mit dem Hanappi-Stadion geschieht: Nämlich sie zu entsorgen! Der einzige Unterschied: Ein neues Stadion wird Rapid entscheidend helfen, in verschiedenen Bereichen wieder topp zu werden, neue Fußballschuhe hingegen würden nur beweisen, dass es bei mir nicht am Schuhwerk liegt, dass die ohnehin stets bescheidenen Fähigkeiten am grünen Rasen völlig verkümmert sind. Doch das ist eine andere Geschichte......


Letztes Pic vor Beginn der Abbrucharbeiten
Nach dem letzten Ligaspiel - natürlich mit SHFG

Und erstmals auf der Baustelle - Oktober 2014


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